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Schmeichelnde Töne auf der Naturtrompete

(30. Juli 2005, HH-Abendblatt / Norderstedter Zeitung)

Die erste Orgel in der Maria-Magdalenen-Kirche stammt aus dem Jahr 1573 und spielte bis zu den Schwedenkriegen 1657/60. Die heutige Orgel ist ein Gemisch. Das malerische Gehäuse stammt von der Vor-Orgel aus dem 19. Jahrhundert. Das Spielwerk wurde 1974 vom Kieler Orgelbauer Hinrich Otto Paschen erneuert und vergrößert. Die Barockstimmung kam dem letzten Sommerkonzert von Organist Ulf Lauenroth und Trompeter Jürgen Hartmann sehr zugute. Das Faszinierendste am Konzert war jedoch das Spiel Hartmanns auf der Naturtrompete, die noch ohne Ventile auskommt.
Das macht nicht nur das Spielen komplizierter, die Trompete ist auch empfindlicher gegenüber Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. So mußte der Leipziger Trompeter sein Instrument vor den Stücken öfter neu stimmen. Überraschend aber ist der Klang: Weg vom kompromißlosen Strahlen, hin zum zwar klaren, aber doch schmeichelndem Ausdruck. Diese Trompete verkündet nicht, sie erzählt. Und was für Geschichten!

Quer durch Europa und durch fünf Jahrhunderte führten Trompeter und Organist die rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörer. Mit Frankreichs Marc-Antoine Charpentiers (1634 bis 1704) Prélude aus dem Te Deum wählte das Duo ein prachtvolles Entree voll Gesang und Tanz, das auf der Naturtrompete einen ganz eigenen Charme entwickelte - inklusive wegtanzender Töne. Die "Fantasia Chromatica" für Orgel des Holländers Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 bis 1621) zeigt eine hohe Modernität, die Organist Lauenroth gezielt ausspielte.

Georg Philipp Telemanns Konzert D-Dur geriet gerade durch den innigen, lebendigen, weil nicht perfekten Klang der Naturtrompete zum Hörgenuß. Ein meditativer Ausflug nach Prag gelang Lauenroth mit Josef Segers (1716 bis 1782) "Preludium e Fuga" in a-Moll. Zurück nach Frankreich, zurück zu Glanz und Tanz mit einer Suite von Michel Richard de la Lande. Hüpfender Rhythmus im ersten Satz, nach dem die Trompete genüßlich langsam den schreitenden Charakter des Menuetts zelebriert.

Ein einziges Plädoyer für die Naturtrompete spielte Hartmann mit dem oft volksliedhaften Stück "Voluntary in C" des Engländers Simon Stubley, von dem keine Lebensdaten bekannt sind. Lauenroth schaffte es, auf seiner Orgel in den tiefen Tönen einer Tuba zu blubbern. Anschließend fabulierte der Organist ungemein erzählerisch mit dem heute noch hochmodernen Stück "Batalha de 6§ Tom" des Portugiesen Pedro de Arajo (18. Jh.). Französischen Saloncharakter und Wiener Schmäh weist "Meditation" von Stefan Surzyn´ski (1855 bis 1919) auf, dessen ironischen Charakter Lauenroth gern noch ausbauen dürfte. Strahlendes Finale mit Giuseppe Torellis (1658 bis 1709) Sinfonia D-Dur, der als Zugabe noch ein Marsch des Franzosen Jean Baptiste Lully (1632 bis 1687) folgte. Das Publikum spendete dankbaren Applaus.

Heide Linde-Lemcke

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